Ally McBeal war neurotisch, George aus „Seinfeld“ ebenso und anscheinend alle weiblichen Charakere aus Frauenfilmen. Aber was ist eigentlich eine Neurose und wer kann sich wirklich als Neurotiker beschimpfen lassen?
Es gibt viele psychische Störungen, die nicht sofort das Leben so sehr einschränken, dass man von Pillen und Therapie geplagt wird. Heutzutage gehört die Neurose definitiv dazu, obwohl sie zu Beginn etwas anderes als nur ein kleiner „Tick“ war und daher kommt sicher auch die inflationäre Verwendung des Begriffes.
Neurose: Psychologischer Sammelbegriff
Aus dem griechischen übersetzt bedeutet „Neurose“ nämlich grob „Nervenstörung“ und damit wurden lange Zeit quasi alle physischen Befinden betitelt, zu denen man keine Ursachen finden konnte.
Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magengeschwüre – alles, was nicht auf organische Beschwerden zurück geführt werden konnte, wurde als Neurose unter dem Bereich abgestellt, den wir heute als psychosomatische Beschwerden kennen dürften.
In der modernen Psychologie wird es weitläufig nicht mehr verwendet, vielleicht auch das ein Grund, warum es im Populärgebrauch so weitreichend genutzt wird.
Stattdessen wurden Neurosen mit den sogenannten „Anxiety Disorders“ ausgewechselt, die man allgemein hin als psychisch und physische Reaktionen auf Stresssituationen aller Arten beschreiben kann.
Fehlanpassung bei stressigen Situationen
Genau das wird aber auch bei einer Neurose empfunden, die man als erlernte „Fehlanpassung“ definieren kann, die sich dann in verschiedensten auch anerkannten Krankheiten zeigen kann, etwa Depression, Hysterie, Borderline Verhalten, Phobien, Zwangsneurosen und andere, vorwiegend durch Angst und Stress verursachte Einschränkungen im alltäglichen Leben. Da auch schizoide Störungen durch Neurosen hervor gerufen werden können, ist es hierbei sehr wichtig zwischen der Neurose und der Psychose zu unterscheiden.
Der Grund, warum man Ally als neurotisch, aber sicher nicht als psychotisch beschreiben würde ist der, dass eine Neurose vom Individuum als solche erkannt wird, der Betroffene ist sich also bewusst, dass es eine psychische Störung ist. Bei einer Psychose wiegen jedoch Probleme auf, die exogenen (äußere) und endogenen (innere) Ursachen zu unterscheiden.
Neurose vs. Psychose
Eine weitere Unterscheidung wird außerdem von einigen Ärzten und Psychiatern in der körperlichen Störung des Nervensystems, bzw. des Gehirns getätigt. So gibt es Stimmen, die eine Neurose als psychische Störung bezeichnen, der keine organischen, bzw. chemischen Veränderungen des Nervensystems zugrunde liegen. Eine Psychose würde jedoch genau dann der Fall sein, wenn das Nervensystem entzündet, verletzt oder anderweitig verändert wurde und so die entsprechenden Störungen hervor ruft.
Schwierig ist bei dieser Unterscheidung die fehlende Beweiskraft ob alle stärkeren psychischen Störungen durch eine derartige Änderung des Nervensystems hervor gerufen wurden.
Beispiel:
In der neurotischen Form paranoider Störungen etwa ist das Individuum zwar unter Stress, weil es sich von allen Seiten unter Druck gesetzt fühlt, es ist sich aber auch bewusst, dass vieles davon von der eigenen Angst herrührt, nicht zufriedenstellende Leistungen zu bringen, ob nun im Beruf oder Privatleben.
Bei einer psychotischen Form paranoider Störungen geht das Individuum davon aus, dass sich äußere Instanzen gegen den Betroffenen verschwört haben, alles, was passiert wird auf die Umgebung projiziert, ein schräger Blick eines Fremden ist dabei ein direkter Angriff und wird nicht nur als Zufall abgetan.
Gerade weil der neurotische Patient noch einigermaßen „beisammen“ ist und zwar psychisch stressige Phasen durchmacht, aber ansonsten lebensfähig ist, ist die Diagnose und Begrifflichkeit an sich eher schwer für den allgemeinen Kanon.
Ursachen von Neurosen
Allgemein geht man davon aus, dass der Großteil aller Neurosen im Kindesalter entsteht, so kann ein Trauma im Alter von einem Jahr bereits schwerwiegende Auswirkungen auf die Verhaltensweisen eines Kindes haben.
Nur sehr selten werden Neurosen noch im Erwachsenenalter entwickelt, es sei denn ein besonders traumatisches Event oder aber sich wiederholende, ähnliche Traumata – etwa ein Überfall oder aber wiederholte Angriffe – sorgen dafür.
Viele unserer Neurosen lassen sich jedoch auf unsere Kindheit zurück führen, manchmal sogar zu Ereignissen, die aus heutiger Sicht kaum Einfluss auf uns hatten.
Gerade deshalb kann es auch sehr schwer werden, beispielsweise Phobien im Alter zu heilen, da man ohne die Gründe dafür oftmals nicht genau ansetzen kann.
Im Englischen gibt es sehr deutliche Abgrenzungen zwischen einer Neurose – also einer einzeln auftretenden psychischen Störung, die mehr oder weniger belastend ist – und einem Neurotiker.
Der Neurotiker ist jemand, der alle stressigen Situation negativ betrachtet und daher sehr anfällig für Störungen wie Depression, Angstzustände und besonders emotionale Ausbrüche ist.
Übrigens wurde in einer übergreifenden Studie fest gestellt, dass Frauen eher dazu neigen, Neurotiker zu sein als Männer, was vielleicht erklärt, warum uns jede Protagonistin einer romantischen Komödie als Neurotikerin verkauft wird, selbst wenn sie es nicht ist.
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