Auch so hätte die Geschichte verlaufen können: Die Nazis haben Russland besiegt. Daraufhin wurde die Atombombe nicht auf Japan, sondern auf Berlin abgeworfen. Die Gründung des Staates Israel ist daher gescheitert und die Juden haben sich stattdessen in einer Provinz in Alaska ihr neues Zuhause gesucht.
Genau diese verdrehte Geschichte ist die Ausgangssituation für „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ von Michael Chabon. Nicht umsonst war das Buch wochenland auf Platz eins der amerikansichen Bestseller-Liste. Michael Chabon hat hier ein gleichsam satirisches, wie spannendes Krimi-Experiment gewagt und damit voll ins Schwarze getroffen.
In Sitka in Alaska haben sich die Juden 60 Jahre lang eine eigene kleine Heimat geschaffen: Jiddisch statt Hebräisch ist ihre Amts- und Umgangssprache und sie können sich hier frei entfalten. Noch… Denn ihr Bleiberecht war nur vorübergehend angelegt. In drei Monaten soll Sitka wieder an Alaska übergeben werden und so stehen die Juden vor einer neuen Vertreibung und drohender Heimatlosigkeit. Doch man munkelt, dass manche ein Bleiberecht erhalten sollen…
Inmitten dieser Stimmung muss sich der Polizist Mayer Landsmann vom Morddezernat nun auch noch mit einem mysteriösen Morfall auseinandersetzen. Landsmann wohnt in einem schäbigen Hotel, säuft und wurde gerade von seiner Frau verlassen. Und nun auch noch das: Sein Partner, der Halbindianer Berko Shemets, und er sollen den Mord an einem Junkie, der auch in Landsmanns Hotel lebte, aufklären. Dieser hat sich nach einem berühmten Schachweltmeister benannt und sich auch mit Schachspielen seinen nächsten Schuss verdient. Und zu allem Überfluss soll er auch noch eine Art Messias sein. Landsmann und sein Partner kommen einer dubiosen, ultraorthodoxen jüdischen Sekte auf die Spur…
Was sich erstmal wie ein spannender Krimi anhört, ist gleichzeitig auch eine gekonnte Satire auf unsere Gesellschaft und die jüdische Welt. Chabon, selbst Jude, nimmt seine Glaubensbrüder gewaltig aufs Korn, aber niemals abwertend. Jedes jüdische Klischee wird überspitzt und breitgetreten. Und auch die Charaktere sind dermaßen überzeichnet, dass sie schon wieder liebenswürdig wirken. Und auch das Jiddisch ist omnipräsent und mit viel Liebe ins Detail in diese Welt eingefügt. Wer ein Lexikon für jiddische Schimpfwörter und Beleidigungen anlegen möchte, hat hier die Chance dazu… 😉
Und bei all dem Humor ist „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ auch noch ein wirklich packender Krimi. Es ist in weiten Teilen eine Hommage an die Krimis der 1940er Jahre und Meyer Landsmann kommt daher wie ein total zerrütteter Philip Marlowe.
Ein wirklich eigenes und schräges Buch, das versucht neue Wege zu gehen und dies mit Erfolg. Nun soll das Buch auch noch von den Coen-Brüdern (u.a. „No country for old men„) verfilmt werden…
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