Marcel Reich-Ranicki: „Mein Leben“

Mein Leben ist die Autobiographie von Marcel Reich-Ranicki, dem einflussreichsten und gefürchtetsten Literaturkritiker der Gegenwart.

„Mein Leben“ von Marcel Reich-Ranicki ist die Überlebensgeschichte eines jungen Mannes, der 1920 in Polen geboren wurde und die letzten Jahre der Weimarer Republik in Berlin erlebte. In Berlin entstand und festigte sich seine Liebe zur Literatur und zum deutschen Theater. „Mein Leben“ beschreibt anschaulich und ergreifend, wie Marcel Reich-Ranicki gemeinsam mit seiner Frau den Holocaust überlebte und zu der Person wurde, die er heute ist.

Marcel Reich-Ranicki: Sein Leben in eigenen Worten

Marcel Reich-Ranicki, der am 2. Juni 1920 in Włocławek in Polen als drittes Kind einer Mittelstandfamilie geboren wurde,  besuchte als einziger unter den Geschwistern die deutsche Schule. Die Mutter, die Deutsche war, schickte ihren Sohn 1929 zu wohlhabenden Verwandten nach Berlin, wo Reich-Ranicki dann zu Schule ging und 1938 noch sein Abitur machen konnte. In Berlin begann seine Liebe zur deutschen Literatur und Theater. Während andere Karl May lasen, verschlang Marcel Reich-Ranicki Friedrich Schillers „Die Räuber.“ Doch auch das bis heute erfolgreiche Berliner Theater ging nicht spurlos an ihm vorbei, und er entwickelte sich zum leidenschaftlichen Theaterbesucher.

Das Warschauer Ghetto: Der Ort des Grauens und der Beginn einer großen Liebe

Im Jahre 1938 wurde er zusammen mit 17.000 anderen polnischen Juden nach Polen ausgewiesen. In Warschau angekommen musste er sich erst wieder mit der polnischen Sprache vertraut machen. Im November 1940 wird Reich-Ranicki gezwungen, ins Warschauer Ghetto umzusiedeln, wo er auch später seine Frau kennen- und lieben lernte. Überhaupt ist die Geschichte der beide eine ergteifende Liebesgeschichte. Teofila, oder Tosia, wie Reich-Ranicki sie liebevoll nennt, lebt auch mit ihren Eltern im Warschauer Ghetto. Als sich ihr Vater, der enteignet wurde, aus Scham und Verzweiflung erhängt, ist es Marcel, der sie ohne Worte, durch seine Anwesenheit und Nähe tröstet.

Die Flucht und das Überleben: Bolek und seine Frau als Lebensretter

Im Ghetto arbeitete er als Übersetzer für den Ältestenrat und schreibt unter einem Pseudonym Rezensionen über die Konzerte des Orchesters. Durch seine Tätigkeiten, erfuhr Reich-Ranicki vorzeitig von einer großen Deportation, die die eigentliche Räumung des Ghettos war. Um ihre Überlebenschancen zu erhöhen, heirateten Marcel und Tosia noch kurz vor der Deportation, am 2. Juli 1942. Dank seiner Übersetzungstätigkeiten blieben sie als Ehepaar zunächst verschont. Am Tag der Deportation im Januar 1943 entkam das Ehepaar auf dem Weg zum Versammlungsplatz. Sie fanden Unterschlupf bei, Bolek, einem arbeitslosen Schriftsetzer, und überlebten den Krieg in Boleks Keller, wo sie Zigaretten drehten, den Kindern bei den Hausaufgaben halfen und Reich-Ranicki Geschichten „Ums-Überleben-Erzählte“.

Die Nachkriegsjahre

Das Buch befasst sich weiterhin mit der Nachkriegszeit, wobei er zunächst mit Frau in Polen bleibt, dann einige Zeit in London verbringt und dann 1958 nach einer Studienreise in Deutschland blieb. Es folgten Arbeiten für die FAZ, Vorträge auf der ganzen Welt, bis 1988 die ZDF-Sendung das Literarische Quartett kam, durch die ihn heute jeder kennt.
„Mein Leben“ ist eine eindrucksvolle Geschichte über einen jungen Mann, der in unmenschlichen Zeiten aufwuchs und die einzige Menschlichkeit in der Literatur zu finden schien. Man beginnt zu verstehen, woher dieser in den Medien oft parodierte Mensch Reich-Ranicki kommt, und bildet sich sogar ein Stück ein, zu begreifen, warum er so ist, wie er ist. Das Paar, das sich im Warschauer Ghetto kennenlernte, war übrigens bis zu Tosias Tod am 29. April 2011 über 70 Jahre zusammen. Deswegen ist „Mein Leben“ auch die Geschichte einer großen, wahren Liebe.

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