Satirisches Weihnachtsgedicht die Zweite: „Groß-Stadt-Weihnachten“ von Kurt Tucholsky

Dass ich Kurt Tucholsky mag, habt ihr wahrscheinlich schon bemerkt. Und so darf ein kleiner Kommentar von ihm zu Weihnachten natürlich nicht fehlen.

Also, falls ihr euch gerade auch mitten im alljährlichen Familienwahnsinn befindet, denkt immer daran es ist bald vorbei 😉 und irgendwie ist es ja auch immer wieder schön:

[youtube lBUXDJwgNss]

Groß-Stadt-Weihnachten

Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren
die Weihenacht! die Weihenacht!
Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.

Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
den Aschenbecher aus Emalch glase.

Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
auf einen stillen heiligen Grammophon.
Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
den Schlips, die Puppe und das Lexikohn.

Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
„Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!“

Und frohgelaunt spricht er vom ‚Weihnachtswetter‘,
mag es nun regnen oder mag es schnein.
Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
die trächtig sind von süßen Plauderein.

So trifft denn nur auf eitel Gück hienieden
in dieser Residenz Christkindleins Flug?
Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden…
„Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.“

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