„Die Box“: Der neue Grass ist da und es ist erstaunlich still…

Fast schon befremdlich ruhig wurde die Veröffentlichung des zweiten Teils der Autobiographie von Günter Grass begleitet. Ist man normalerweise Kritiker gewohnt, die sich in Heerscharen über das neue Werk hermachen, so wurde „Die Box: Dunkelkammergeschichten“ zwar von einigen besprochen oder verrissen, aber eher wie nebenbei.

Dies ist wahrscheinlich in erster Linie dem Steidl Verlag zu verdanken, der die Veröffentlichung still und heimlich einfach zwei Wochen vorverlegte, so dass auch der „normale“ Mensch hier mal die Chance erhielt sich seine eigene Meinung zu bilden, bevor die Herren Kritiker mit ihrer Meinungsbildung einsetzen.

Wurde noch beim ersten Teil der Grass’schen Autobiographie „Beim Häuten der Zwiebel“ ein riesen Medienrummel veranstaltet. Riiiieesen Bekenntnisse waren da zu lesen. Der Grass soll doch in jungen Jahren bei der SS gewesen sein und hat das neimandem erzählt. Ja, er hat nach 1945 ja immer vor allem mit seinen ultrarechten Aussagen Schlagzeilen gemacht… 😉

Aber ich denke, das ist ein grundlegendes Problem der Deutschen. Immer wird gejammert, dass das Land der Dichter und Denker verfällt. Und wenn man dann mal große Dichter und Denker hat (egal ob man Stil oder Aussage mag, ihre Kreativität kann man nicht leugnen), dann werden sie niedergeknüppelt und mit allen Mitteln schlecht gemacht.

Ich muss sagen, ich bin auch kein besonders großer Grass-Fan, denn sein Stil entspricht mir manchmal nicht ganz. Aber trotz allem hat der Mann Ideen und ist einer der letzten großen Literaten, die Deutschland noch hat. Sein neuestes Buch „Die Box“ hat mich aber begeistert, denn der literarische Kniff, den Grass hier anwendet, ist wirklich toll.

Der zweite Teil der Biographie kommt eher leise daher und Grass lässt fiktiv seine Kinder (acht an der Zahl) über sich selbst, ihre Kindheit und vor allem natürlich über die Erinnerungen an ihren Vater plaudern. Fast das ganze Buch besteht aus Dialogen, die aber ohne Anführungszeichen einfach fortgesetzt werden. Da hört ein Satz dann schonmal mitten drin auf, oder ein Gedanke wird nicht ganz zu Ende gedacht. Und genau dies macht den Charme des Buches aus. Durch die fiktive Sicht der anderen auf sich selbst, kann Grass viel mehr mit sich selbst ins Gericht gehen oder sich humorvoll distanzieren. Er belauscht praktisch seine eigene Erzählung über sich selbst.

All diese Erinnerungen werden von „Knips-mal-Mariechen“ und ihrer alten Agfa-Box begleitet. Die Fotografin Maria Rama, der Grass hier auch ein kleines Denkmal setzt, hat ab Mitte der 1950er Jahre bis zu ihrem Tod 1997 die Familie Grass als enge Freundin begleitet und Fotos von allen Lebenslagen gemacht. Grass verleiht ihrer Kamera in „Die Box“ magische Fähigkeiten, denn sie kann in die Vergangenheit und die Zukunft schauen und Wünsche und Ängste bildhaft machen. Durch diese Fähigkeit bekommt die Biographie noch zusätzlich einen märchenhaften Touch.

Nicht Enthüllungen oder Derartiges bestimmen „Die Box“, sondern menschliche Regungen, Erinnerungen an die kleinen Dinge und prägende Lebensabschnitte stehen im Vordergrund. Auf diese Weise hat Günter Grass, ob bewusst oder unbewusst, einen guten Kontrapunkt zum ersten Teil „Beim Häuten der Zwiebel“ gesetzt. Und überzeugt somit vor allem durch das, was er am besten kann, nämlich das Schreiben und das literarische Handwerk.

Hut ab! Schon lange kein so kunstfertiges und literarisch hochwertiges Buch mehr gelesen! Also einfach die eigene Meinung bilden und die üblichen Kritiker und Verreißer ignorieren…

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One Comment

  1. anig

    13. September 2008 at 16:25

    wie recht du hast, was kritiker und grass
    betrifft !!! du machst einen richtig neu
    gierig auf das buch. sehr gute Rezension!

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