„Der Fliegenpalast“ von Walter Kappacher – Hoffmannsthal zwischen gestern und heute

Zurecht bekommt Walter Kappacher dieses Jahr den Georg-Büchner-Preis, denn er ist einer der letzten Künstler in der zeitgenössischen Literatur, was auch sein aktuelles Buch „Der Fliegenpalast“ beweist. Hier hat er sich eines Genres angenommen, an dem schon die größten Schriftsteller gescheitert sind, dem historischen Künstlerroman.

Doch Kappacher gelingt diese Balance aus Fiktion und Historie, aus Hommage und kritischer Innenschau, meisterlich. „Der Fliegenpalast“ scheint fast wie aus einer vergangenen Epoche zu stammen, als Literaten sich meist noch mit dem menschlichen Inneren und weniger mit Skandalen beschäftigten. Es ist ein leises, eindringliches Buch über das Älterwerden, den Fluss des Lebens und die Einsamkeit, die die Zeit manchmal mit sich bringen kann.

Vor dem Krieg hat der Dichter H. (Hugo von Hoffmannsthal) viele schöne Sommer in dem kleinen Salzburger Kurort Bad Fusch verbracht. Nun, im August 1924, kehrt er als älterer Mann dorthin zurück um dort zur Ruhe zu kommen und sich wieder dem Schreiben widmen zu können.

Doch vieles hat sich verändert: der Krieg ist Geschichte, alte Freunde leben nur noch in seiner Erinnerung an diesem Ort und auch die Moderne hält langsam Einzug. H. ist hier fremd und kann das Geschehen nur noch von außen beobachten. Durch einen mehr oder weniger unglücklichen Zufall lernt er den jungen Arzt Krakauer kennen, der für eine reiche Baronin arbeitet. H. vermutet in ihm einen Seelenverwandten, doch die Baronin wacht eifersüchtig über die beiden Männer. Und so verstärkt sich in dieser neuen Freundschaft auch nur H.’s Einsamkeit…

Fast schon dezent macht uns Kappacher in „Der Fliegenpalast“ mit einem Hoffmannsthal bekannt, den es genauso gegeben haben könnte. Hugo von Hoffmannsthal war wirklich in Bad Fusch und hat dort in jungen Tagen einige seiner beschwingtesten Gedichte geschrieben. Im Alter ist er dorthin zurückgekehrt um an „Der Turm“ weiterzuschreiben, mit dem er einfach nicht voran kam. Über diese kurze Zeit im Leben von Hoffmannsthal ist nur wenig bekannt. Und genau dieses Unbekannte erfüllt Kappacher mit Leben.

Es ist eines dieser Bücher, in denen von der Handlung her nicht viel passiert, jedoch geht im Protagonisten und dadurch auch im Leser sehr viel vor. Genau das macht den Reiz von „Der Fliegenpalast“ aus. Schon lange hat man nicht mehr solch virtuose Literatur und Sprache gelesen.

Eine Art zu Schreiben, von der man fast schon dachte, sie wäre ausgestorben. Schön, dass Kappacher nun beweist, dass diese auch heute noch ihre Leser findet und dass sie hoffentlich noch etwas länger überleben wird. In all dem Getöse und Gerassel des Kulturbetriebs eine echte Wohltat!

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One Comment

  1. Bonnie and Kleid

    11. Januar 2010 at 18:50

    Danke Nina, ein absolutes must-have für uns!

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