Heute möchte ich euch eines meiner Lieblingsgedichte zeigen. Ich liebe die Gedichte Brechts sehr und vor allem die frühen haben es mir angetan. Fast kein anderer Autor kann Gesellschaftskritik, Ironie, Satire, Lebenslust, Lebensfrust und Trauer so vereinen wie Bertold Brecht.
Sein frühes Stück „Baal“ ist meiner Meinung nach vollkommen unterschätzt. Sowieso ist die Figur Baal ein Motiv, dass Brecht in vielen seiner Gedichte begleitet und fasziniert hat. Dieser Charakter pendelt ständig zwischen Kunst, Egozentrik und dem bloßen Sein hin und her und kommt daher gesellschaftlich überhaupt nicht klar. Das Leben soll in einem Schluck auf einmal aufgesaugt werden.
Aber am besten lass ich eines der Gedichte selber sprechen:
Bertold Brecht
Der Choral vom großen Baal
Als im weißen Mutterschoße aufwuchs Baal
War der Himmel schon so groß und still und fahl
Jung und nackt und ungeheuer wundersam
Wie ihn Baal dann liebte, als Baal kam
Und der Himmel blieb in Lust und Kummer da
Auch wenn Baal schlief, selig war und ihn nicht sah:
Nachts er violett und trunken Baal
Baal früh fromm, er aprikosenfahl
Und durch Schnapsbudike, Dom, Spital
Trottet Baal mit Gleichmut und gewöhnt sich´s ab.
Mag Baal müd sein, Kinder, nie sinkt Baal:
Baal nimmt seinen Himmel mit hinab.
In der Sünder schamvollem Gewimmel
Lag Baal nackt und wälzte sich voll Ruh´:
Nur der Himmel, aber immer Himmel
Deckte mächtig seine Blöße zu.
Und das große Weib Welt, das sich lachend gibt
Dem, der sich zermalmen läßt von ihren Knien
Gab ihm einige Ekstase, die er liebt
Aber Baal starb nicht, er sah nur hin.
Und wenn Baal nur Leichen um sich sah
War die Wollust immer doppelt groß
Man hat Platz, sagt Baal, es sind nicht viele da
Man hat Platz, sagt Baal, in dieses Weibes Schoß.
Gibt ein Weib, sagt Baal, euch alles her
Laßt es fahren, denn sie hat nicht mehr!
Fürchtet Männer nicht beim Weib, die sind egal:
Aber Kinder fürchtet sogar Baal.
Alle Laster sind zu etwas gut
Und der Mann auch, sagt Baal, der sie tut.
Laster sind was, weiß man, was man will.
Sucht euch zwei aus; Eines ist zuviel!
Seid nur nicht so faul und verweicht
Denn Genießen ist bei Gott nicht leicht.
Starke Glieder braucht man und Erfahrung auch:
Und mitunter stört ein dicker Bauch.
Zu den feisten Geiern blinzelt Baal hinauf
Die im Sternenhimmel warten auf den Leichnahm Baal
Manchmal stellt sich Baal tot. Stürzt ein Geier drauf
Speist Baal einen Geier, stumm, zum Abendmahl.
Unter düstren Sternen in dem Jammertal
Grast Baal weite weite Felder schmatzend ab.
Sind sie leer, dann trottet singend Baal
In den ewigen Wald zum Schlaf hinab.
Und wenn Baal der dunkle Schoß hinunterzieht:
Was ist Welt für Baal noch? Baal ist satt.
Soviel Himmel hat Baal unterm Lid
Daß er tot noch grad g´nug Himmel hat.
Als im dunklen Erdgeschoße faulte Baal
War der Himmel noch so groß und still und fahl
Jung und nackt und ungeheuer wunderbar
Wie ihn Baal einst liebte, als Baal war.
Dieses Gedicht wurde übrigens von Konstantin Wecker genial vertont.
Und es gibt auch einen super Film zum Stück „Baal“ mit Matthias Schweighöfer.
Welie Töchof
3. Februar 2011 at 19:07
Danke, jetzt endlich habe ich das Problem ganz gerafft 🙂
Andreas
17. Februar 2011 at 17:46
Hallo Nina, Bertolt schreibt man mit t!