Sie tauchen mittlerweile immer wieder in Filmen auf, junge, aufgedreht-verträumte Frauen, die älteren, depressiven Männern in Lebenskrisen helfen sollen. Ist das nun ein weiterer, plumper Stereotyp, der Frauen die eigentliche Stimme nimmt oder findet man hier etwa auch eine Gegenbewegung?
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Der Begriff wurde 2007 von einem Rezensenten eingeführt, der die Rolle von Kirsten Dunst im Film „Elizabeth Town“ beschrieb und damit wohl sehr unbewusst eine Vielzahl an ähnlichen Filmcharakteren auf den Punkt brachte und somit einem bereits sehr verbreiteten Trope (also einem oft verwendeten Klischee) endlich einen Namen gab.
Was ist ein Manic Pixie Dream Girl?
Was bräuchte ein depressiver Mann in einer Lebenskrise wohl? Höchstwahrscheinlich eine junge, hübsche Frau, vorzugsweise jünger als er, die ihn mit ihrer erfrischenden, kreativen Lebensweise wieder aufrüttelt und zurück ins Leben bringt. Eine Frau, die wie ein frischer Wind ist, exzentrisch sogar, aber nicht zu sehr, gerade so, dass sie als charmant gilt. Wirklich wütend oder deprimiert wird unser Manic Pixie Dream Girl nicht, auch eigene Bedürfnisse hat sie nicht, denn darum kann sich der geplagte, männliche Protagonist nun nicht auch noch kümmern, stattdessen dient sie alleinig als Nebenrolle (und nur als Nebenrolle) dazu, ihm zu helfen.
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Genau darin liegt für viele Feministen und Filmkritiker auch das Problem: Es ist faules Schreiben. Natürlich kann man fragen, was daran so schlimm ist, dass eine selbstbewusste junge Frau einen zweifelnden Mann aus seiner Krise holt, wie revolutionär doch da die Geschlechterrollen umgekehrt werden.
Tatsächlich ist es jedoch keine Heldenrolle, sondern die eines Werkzeuges, die weibliche Rolle wird zu einem Plotinstrument um den männlichen Protagonisten aus seiner anfänglichen Apathie in ein Happy Ending zu geleiten.
Dabei hat sie keine Berechtigung eigener Probleme, noch einer eigenen Persönlichkeit („Charmant sein“ ist keine Persönlichkeit), sie wirkt ausschließlich als Fabelwesen, zauberhaft, ruhig, süß und etwas verrückt, der sensible Drehbuchschreiber hängt sich sein Pixie Dream Girl über sein Bett und träumt nachts von ihr, denn sie wird ihm niemals eine Szene machen oder ihre eigenen Bedürfnisse zur Sprache bringen, die seinen Bedürfnissen schlimmstenfalls noch im Wege stehen.
Berühmte Filmbeispiele des Manic Pixie Dream Girls
„Elizabeth Town“ ist ein gutes Beispiel, aber man muss auch sonst nicht lange suchen, um sie zu finden. Ob nun Nathalie Portman, die in „Garden State“ mit den Shins Zach Braff davon überzeugt, dass das Leben Spaß macht, Kate Hudson in „Almost Famous“ den unerfahrenen Protagonisten in die Liebe einführt, Meg Ryans aufgedrehter Charme in „Joe gegenden Vulkan“ Tom Hanks den Lebensmut zurück gibt, Greta Gerwig dem ungemein unsympathischen Charakter von Ben Stiller in „Greenberg“ auf die Sprünge helfen soll, ja, selbst Jason Segel hat sich in „Forgetting Sarah Marshall“ Mila Kunis als exotische Rettung herbei geschrieben.
Viele Kritiker gehen aber nicht von einem neuen Trend aus, in der Liste der Manic Girls gibt es auch Beispiele aus den 60er Jahren, etwa „Annie Hall“, „What’s Up Doc“ und selbst in den 30er Jahren durfte Katharine Hepburn in „Bringing Up Baby“ wenig Tiefe aber viel gute Laune zeigen.
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Die Anti Dream Girls: „Vergiss mein nicht!“ und „500 Tage Sommer“
Zooey Deschanel wird mittlerweile gerne als Postergirl für die Dream Pixies gesehen, nicht zuletzt für ihre Rolle in „500 Tage Sommer“ und auch Kate Winslet wird für „Vergiss mein nicht!“ oft in die Riege der Dream Girls eingereiht.
Aber genau hier kann man zwei Beispiele sehen, die vielleicht nicht vollkommen erfolgreich, aber zumindest ansatzweise versuchen, genau dieses Bild zu dekonstruieren.
In beiden Filmen lernen wir die weiblichen (Haupt-)Rollen nur durch die männlichen Hauptrollen kennen, wir sind also von Anfang an durch ihre Perspektive voreingenommen und sehen sie genauso idealistisch, wie die Männer. Erst nach und nach bemerken wir jedoch, dass diese leichten, erfrischenden Eindrücke der jungen Frauen eben nur subjektiv sind, im Gegensatz zu anderen Manic Pixie Dream Girl Filmen kommen wir nämlich bei diesen beiden Beispielen an einen Punkt, an dem der Protagonist plötzlich realisieren muss, dass es sich bei seinen Eindrücken um eine arg selektierte Traumvorstellung gehalten hat, die die anderen Seiten der Frau völlig ignoriert hat, bis sie nicht mehr zu ignorieren waren und dann als störend empfand, da sie nicht dem Idealbild entsprachen. Der Mann wird hier regelrecht vorgeführt, weil er sich und der Frau viel Liebeskummer erspart hätte, wenn er sie von Anfang an als echten, komplexen Menschen verstanden hätte und nicht als idealistische Spielwiese der eigenen Unzulänglichkeiten.
Clementine spricht das sogar direkt an in „Vergissmeinnicht“
„Too many guys think I’m a concept, or I complete them, or I’m gonna make them alive. But I’m just a fucked-up girl who’s lookin‘ for my own peace of mind; don’t assign me yours.“
„Zu viele Typen denken, dass ich ein Konzept bin und sie vervollständige oder ihnen Leben einhauche. Aber ich bin nur ein verkorkstes Mädel, das nach ihrem eigenen Glück sucht. Hals mir nicht deins auf.“
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Ähnliches muss auch Tom (Joseph Gordon Levitt) in „500 Tage Sommer“ realisieren, wenn er sich plötzlich alleine wieder findet weil seine Märchenvorstellung von Summer (Deschanel) nicht der Realität entsprach und Summer in der Tat weder Tom retten, noch langfristig daten wollte (sicher auch, weil er außer romantischer Gesten nicht wirklich ein guter Freund war).
Hier wird sicher sehr bewusst mit dem Bild der zauberhaften Fee gespielt, die nur dem Mann als Instrument dient, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Winslets und Deschanels Charaktere beanspruchen für sich ebenfalls die Suche nach dem Glück und da die Männer, bzw. Protagonisten in diesem Fall kaum dazu verhelfen (was nicht zuletzt ihrem Egoismus geschuldet ist), trennen sie sich mehr oder weniger tränenreich, um ihren eigenen Träumen und Bedürfnissen nach zu gehen, wie es eigentlich jede intelligente Frau, bzw. jeder intelligente Mensch machen sollte. Gerade bei „500 Tage Sommer“ erscheint es dann fast ironisch, – ACHTUNG SPOILER – dass Tom in der letzten Szene ein neues Dream Girl ins Auge fasst und anscheinend nichts daraus gelernt hat.
Zooey Deschanel: Pixie oder nicht?
Ihr Charakter in „500 Tage Sommer“ mag diese Dekonstruktion verkörpern, Deschanel selbst scheint es nicht zu tun. Mit Ukulele, Vintagekleidern und immer perfektem Make Up und Haarstyle ist sie der Albtraum aller Frauen, die es nicht mehr aushalten, dass „verrückte Mädels“ nur noch als stolpernde, singende Indiefeen dargestellt werden, ohne einen Funken an Gehässigkeit, Ironie oder Bitterkeit.
So schien es auch bei „New Girl“, immerhin von Deschanel mitgeschrieben, so zu sein, als würde sich hier alles um das Pixie Girl drehen. Doch wer Deschanel dafür angreift, der sollte sich vor Augen halten, dass man sie nicht für das verurteilen kann, was sie anscheinend wirklich ist, zumal ihr Charakter in „New Girl“ sehr entfernt vom perfekten Traumbild ist und sogar offen von anderen Charakteren daraufhin angegriffen wird.
Man muss es so sehen: Das Manic Pixie Dream Girl existiert genau dann im Film, wenn sie kein runder Charakter sein darf, da sie nur als Plotinstrument dient und geradezu als Deus ex Machina erscheint. Sobald man jedoch jemanden wie Jess in „New Girl“ vor sich hat: Ein Pixie Dream Girl das eigene Bedürfnisse, Probleme und Neurosen hat und für sich selbst steht, dann ist es kein müdes Filmklischee mehr, sondern ein echter Mensch. Und mit solchen Menschen können wir uns dann sogar identifizieren, selbst wenn wir nicht Ukulele spielen und Dirty Dancing hassen.
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