Friedrich II. von Hohenstaufen ließ Anfang des 13. Jahrhunderts Waisenkinder ohne verbale Ansprache und körperliche Liebkosungen aufwachsen. Damit wollte er eigentlich dem Ursprung der Sprachentwicklung auf den Grund gehen. Stattdessen musste er feststellen: Alle Kinder sterben, wenn sie keinerlei Zuneigung und sensorische Stimulation erhalten. Im 21. Jahrhundert kommt diesem Wissen wieder eine ganz neue Bedeutung zu.
Haut und Gehirn reagieren auf Berührungen
Wenn Martin Grunwald, Leiter des Haptik-Forschungslabors der Universität Leipzig, Berührungen nüchtern betrachtet, beschreibt er sie als „nichts anderes als eine Deformation der Haut mit zusätzlicher Temperatureinwirkung“. Doch Berührungen sind für Menschen viel mehr als das. Mittlerweile belegen wissenschaftliche Studien, was schon das Experiments Friedrichs II. zutage gefördert hat: Ohne Berührungen können Menschen nicht überleben.
Bei einer Berührung werden Rezeptoren in der Haut aktiv und leiten die registrierten Veränderungen über Druck und Temperatur weiter ans Gehirn. Daraufhin schüttet das Gehirn Botenstoffe wie das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin aus, die Konzentration des Stresshormons Cortisol nimmt hingegen ab. Bei Berührungen werden Menschen in der Regel ruhig und entspannt.
Körperkontakt zeigt Wirkung
Das zeigt sich nicht nur beim Kuscheln mit dem Partner. Auch eine Massage, eine freundliche Geste, die mit einer Berührung untermalt wird oder das Handauflegen in der Kirche regen die Hormonausschüttung an. Vor allem bei alten Menschen, die in Pflegeheimen vereinsamen, und bei Großstadtsingles, deren einzige Berührungen oftmals das Händeschütteln mit dem Geschäftspartner sind, fehlt der Körperkontakt.
Experten wissen, dass körperliche Zuwendung einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden hat. Bei einer Psychotherapie können sich Patienten mithilfe von Berührungen besser öffnen, Verletzungen und andere Leiden werden bei Körperkontakt weniger schmerzhaft empfunden. Körperkontakt stimuliert sogar das Immunsystem und macht die Abwehrkräfte stärker. In einer Studie konnte bewiesen werden, dass Leute, die häufig umarmt werden, sich seltener mit Erkältungsviren infizieren.
Bei Frühchen rettet dieses Wissen mittlerweile Leben. Wurden Frühgeborene bis vor 30 Jahren noch weitgehend steril in Brutkästen untergebracht, gehört das Kuscheln mittlerweile zur Therapie. Durch die regelmäßigen Streicheleinheiten wachsen die Frühgeborenen schneller und legen besser an Gewicht zu. Die Sterblichkeitsrate auf Frühchenstationen konnte durch den berührungsintensiven Ansatz um über ein Viertel zurückgehen.
Statt höflich auf Abstand zu gehen, sollte man also in Zukunft bewusst auf andere Menschen zugehen und sie einfach mal in den Arm nehmen!
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