Ob am Seeufer, an der vielbefahrenen Bundesstrasse oder im Hinterhof: Die Brennnessel ist hart im Nehmen und wächst fast überall.
Dabei gab es Zeiten, in denen man sie kaum finden konnte. Nicht, weil sie nicht wuchs, sondern weil sie ständig abgeerntet wurde. Zu dieser Zeit wussten die Menschen eben noch, was für eine Wunderpflanze die Brennnessel ist!
Brennnesseln sind krautartige Pflanzen, die manchmal büschelweise wie Sträucher wachsen. Sie erreichen, je nach Standort, Wuchshöhen von 10 bis 150 Zentimetern und ihre Stängel sind unverzweigt und mit Brenn- sowie Borstenhaaren besetzt.
Wer von uns hat noch nie Bekanntschaft gemacht mit der Brennnessel? Erst brennt es, dann juckt es und irgendwer tröstet einen sicher mit den Worten „Macht nichts, dafür bekommst du später kein Rheuma“. Später bekommt man Quaddeln, die einem noch ein paar Tage lang Freude bereiten und die auch als „Nesselsucht“ bekannt sind. Zu verdanken haben wir das den schon erwähnten Brennhaaren. Diese Brennhaare hat die Pflanze als Schutzmechanismus am Stängel entwickelt.
Es sind lange Röhren, deren Wände im oberen Teil durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas sind.Brennnesseln lassen sich gefahrlos anfassen, indem man sie von unten nach oben überstreicht. Andernfalls kann das Köpfchen schon bei einer leichten Berührung abbrechen und hinterlässt eine schräge, scharfe Bruchstelle, gleich der einer medizinischen Spritzenkanüle. Bei Kontakt sticht das Härchen in die Haut des „Opfers“, und sein ameisensäurehaltiger Inhalt („Methansäure“) fließt in die Wunde und verursacht brennenden Schmerz und oft auch Entzündungen.
Andere Wirkstoffe, die die Brennnessel enthält, sind zum Beispiel Serotonin (das Zeug, dass in unserer Hirnchemie entscheidend ist für gute oder schlechte Stimmung), Histamin (also das, worauf wir allergisch reagieren können – deswegen heißen Anti-Allergika auch Anti-Histamine), Acetylcholin (ein Neurotransmitter, der z.B. der Informationsübermittlung zwischen Nerv und Muskel dient) und Natriumformiat (das Salz der Ameisensäure).
Wenn man sich also mal diese Wirkstoffe anschaut, dämmert es wohl jedem, dass die Brennnessel sicherlich so einiges kann. Ganz nebenbei enthält die junge Brennnessel auch ne Menge Vitamine und ist als Salat, Suppe oder Tee nicht zu verachten! Die Brennhaare werden dabei entweder durch Kochen oder durch die Vermischung mit einer Sauce vernichtet, also keine Sorge, die Zunge leidet nicht 😉
Die mehrjährige Große Brennnessel (Urtica dioica) ist eines der ältesten Heilkräuter mit einem breiten Wirkungsspektrum und gilt heute längst nicht mehr nur als Unkraut, sondern auch unter Wissenschaftlern wieder als eine „Königin unter den Heilpflanzen“.
Die Caffeoyl-Chinasäuren, die in der Brennnessel enthalten sind, wirken schmerzlindernd, adstringierend und entzündungshemmend, was die Medizin vor allem zur Linderung von Arthroseschmerzen und Gelenkrheumatismus nutzt; außerdem werden Brennnesseln therapeutisch eingesetzt bei Erkrankungen der Atmungsorgane und Magen-Darm-Katarrh mit Kolikschmerzen.
Für die harntreibende Wirkung sind vor allem die Kaliumsalze verantwortlich. Besonders die Wurzel gilt als wichtiges Mittel bei Prostatabeschwerden, da sie die Prostata entstaut, wodurch das Urinieren leichter fällt. Auch andere Erkrankungen der Harnorgane werden mit Brennnesselpräparaten behandelt. Bei Blutarmut soll die kurmäßige Einnahme von Brennnesselsaft helfen.
Daneben setzt die Volksmedizin die Brennnessel zur Anregung des Milchflusses bei Stillenden, bei Haarausfall, Hautausschlägen, Allergien, Osteoporose und Wechseljahrsbeschwerden sowie bei Blutarmut und Erschöpfung ein. In Milch gekochte Wurzeln werden gegen Ruhr und Durchfall empfohlen. Früher kam die Brennnessel auch zur Bekämpfung und Vorbeugung von Skorbut zum Einsatz.
Noch im Zweiten Weltkrieg sollen Brennnesseln zum Verbinden infizierter Wunden verwendet worden sein, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Die Heilpflanze wird in Form von Kapseln, Dragées, Presssäften und Tees angeboten. Gesammelt wird das ganze Kraut (Herb. Urticae).
Ist doch unglaublich, oder? Und an so einer tollen Pflanze laufen wir tagtäglich vorbei und würdigen sie kaum eines Blickes. Dabei würde sie uns einiges an Krankheiten und vor allem Geld sparen, wenn wir sie mal ein wenig mehr beachten würden 😉 Also, falls ihr in eurem Garten Brennnesseln entdeckt, dann lasst sie doch einfach mal stehen und probiert euch durch die selbstgemachte Brennnessel-Kosmetik oder die Rezepte! – Mehr bio geht kaum noch.