Anna Sam: „Die Leiden einer jungen Kassiererin“ – Eine Kassiererin wehrt sich

Fast jeden Tag erleben wir alle diese Szene: Wir hetzen gerade mal so nebenbei in den Supermarkt und wollen nur eine Kleinigkeit für den ausgehungerten Magen kaufen oder vielleicht sich sogar an das Abenteuer Großeinkauf wagen. Doch schon quengelt uns das erste Kind an, zwei Leute halten gerade vor dem Regal ein Schwätzchen, wo man jetzt dringend hin muss, die Preise sind zu hoch, die Farben grell, die Musik und Werbung dröhnen in unseren Köpfen und dann ist auch noch die Schlange an der Kasse zu lang.

Wie häufig haben wir dann schon direkt oder nur indirekt unseren Frust an der Kassiererin abgelassen, das letzte Hindernis, das uns noch vom Verlassen dieses stressigen Ortes hindert? Wie oft hat man sich schon gedacht, warum die Person so unfreundlich ist, warum sie einen so pampig begrüßt und warum, zum Teufel nochmal, sie die Sachen nicht schneller über den Scanner zieht?

Für all diese Fragen, gibt es häufig, eine einfache Antwort: Wir sind der Grund! Wir behandeln die Kassierer doch meist wie einen Teil der Kasse, beschweren uns über Dinge, für die sie nichts können oder einfach nur, weil wir schlechte Laune haben. Und das müssen sich die Damen und Herren täglich geschätzte 2 Mio. Mal anhören. Da wären auch wir unfreundlich.

Und dann kommt noch der Status im eigenen Betrieb dazu. Kassierer haben in den meisten Großmärkten keinerlei Eigenverantwortung, müssen für alles den Chef rufen, werden dann noch überwacht, ja, müssen sogar darum bitten, aufs Klo gehen zu dürfen.

Doch nun rechnen die Kassierer endlich selbst ab. Kassensturz ist angesagt. Zur Anführerin wurde die Französin Anna Sam. Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften fand sie keinen Job und so verbrachte die heute 29-jährige acht Jahre ihres Lebens hinter der Kasse eines Supermarkts. In ihrem Blog schrieb sie sich den Frust von der Seele. Und genau dieses Blog wurde dann in Buchform mit dem Titel „Die Leiden einer jungen Kassiererin“ veröffentlicht und in Frankreich sofort zum Bestseller.

Etliche Leidensgenossinnen schlossen sich Anna Sams Berichten aus dem drögen Supermarkt-Alltag an und fingen an einen besseren Umgang und andere Arbeitsbedingungen zu fordern.

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Im Zentrum des Buches stehen wohl vor allem die Betrachtungen der Kunden: Da gibt es den Möchtegern-Charmeur, den notorischen Fragensteller, den Stänkerer und natürlich die Beleidigten und Beleidigenden. Es stimmt, dass hier die Kunden extrem schlecht wegkommen und über die Guten fast kein Wort verloren wird, aber das muss hier auch nicht so sein, denn Sam will ja auch all jenen einen Spiegel vorhalten, die die Kassierer Tag für Tag unfair behandeln.

„Die Leiden einer jungen Kassiererin“ ist vielleicht kein literarisches Meisterwerk und zu häufig wirkt mir der Humor in dem Buch zu gewollt, doch eines hat Anna Sam damit geschafft: Wer dieses Buch liest, wird an der nächsten Kasse wohl zum ersten Mal die Kassiererin als Mensch wahrnehmen und nicht mehr so achtlos an ihr vorübergehen.

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