Eckart Voland hat Spiegel Online ein Interview gegeben, in dem er eindrucksvoll und ungewollt den pseudowissenschaftlichen Charakter der Soziobiologie darstellt.
Grundlage der Soziobiologie ist der Versuch soziale Verhaltensweisen mit Hilfe der Evolutionstheorie zu erklären. Hierbei werden jedoch einige Fehler gemacht. Grundsätzlich ist die Erklärungskraft evolutiver Theorie schwach, da sie nur auf die Selektion vorteilhafter Eigenschaften verweist, diese Selektion oft jedoch nur als gegeben annehmen kann und den kausalen Prozess nicht erklären kann. Dennoch kann eine solche Theorie Erklärungskraft haben.
Nun besteht jedoch das weitere Problem, dass versucht wird soziale Verhaltensweisen auf die Gene und deren Evolution zurückzuführen. Luhmann hat mit seiner Systemtheorie immerhin Evolution nur als soziale Selektion von Funktionen gedeutet und kommt völlig ohne Biologie aus in der Erklärung sozialer Entwicklungen. Die Soziobiologen müssen nun jedoch erklären, wie sozial vorteilhafte Verhaltensweisen auf die Selektion funktionaler Gene wirken können. Dies kann, wenn die Evolutionstheorie von Darwin auch nur ein wenig ernst genommen wird, nur dann passieren, wenn es an den Genen hängt, ob funktionale Verhaltensweisen gezeigt werden und dies dann zu einer Selektion führt.
Diese Selektion ist in modernen Gesellschaften zumindest im Bezug auf genetische Eigenschaften außer kraft gesetzt worden. Das Überleben von Menschen und die Weitergabe genetischer Informationen hängt nicht von der Vorteilhaftigkeit der Gene ab. Grundsätzlich ist jeder Mensch zur Weitergabe genetischer Informationen fähig. Eine Rückwirkung sozial vorteilhaften Verhaltens auf die Selektion von Genen dürfte nur in der menschlichen Entwicklungsphase eine Rolle gespielt haben, in der die Menschen schon soziales Verhalten gezeigt haben, die Lebensbedingungen jedoch noch nicht vom Menschen selbst erzeugt worden sind und die Evolution noch in Kraft war. Diese Zeit ist lange vorbei. Heute beobachtbares soziales Verhalten dass genetische bedingt sein soll, muss also auf diese frühe Phase verweisen.
Die Kritische Psychologie um Klaus Holzkamp hat schön gezeigt, dass die Lernfähigkeit der Menschen eine wichtige dieser Eigenschaften ist. Wenn Eckart Voland jedoch versucht dafür zu argumentieren, dass auch Religion und Selbstmordattentat so erklärt werden können, dann ist dies absurd. Hierfür müsste es in der genannten frühen Entwicklungsphase, in der die biologisch-menschliche Evolution noch wirkmächtig war, schon Religion und Selbstmordattentat gegeben haben. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Bedauerlich ist, dass mit solchen pseudowissenschaftlichen Positionen sogar ein Lehrstuhl zu haben ist.