Wenn ich in den Bus steige und von achtjährigen Knirpsen geschubst und dann noch hämisch angelacht werde, frage ich mich, was passiert ist? Aber darauf hat Michael Winterhoff endlich eine passende Antwort parat.
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Fünfjähriger Knirps mit lieben, wasserblauen Augen kommt an den Kaffeetisch der Erwachsenen geschlichen. Er hat Sabber am Mund und lächelt. Mama streichelt ihm den Kopf, als die Äuglein des Kindes aufleuchten: „Mama, guck mal – hier“ und offenbart drei zerstückelte Käfer in seiner Hand . Mama meint mit engelsgleicher, geduldiger Zunge: „Darüber müssen wir reden, Paul. So etwas tut man nicht. Die Käfer haben auch Gefühle.“ Die Sätze werden langsam und monoton gesprochen , dazu gewichtend den Kopf geschüttelt. Der Junge nickt, in der Hand noch die toten Käfer.
Müsst ihr jetzt auch eine Augenbraue hochziehen? Ich hätte mir meinen Jungen geschnappt, wäre mit ihm um die Ecke verschwunden und hätte ihm eine Standpauke vorgehalten, dass die Schwarte kracht. Dazu hätte es eine Million Jahre Hausarrest gegeben und niemalsnienicht wieder Schokolade. Naja. Vielleicht nicht ganz so, aber ich wäre aufgebracht, stinkewütend gewesen und denke, dass jeder Erwachsene instinktiv wissen sollte, dass hier eine Erziehungsmaßnahme notwendig ist. Aus Liebe zum Kind. Das demokratische Erziehungsprinzip hat Einzug in Deutschland gehalten. Ich weiß gar nicht, wie viele unterforderte, vernachlässigte Kinder irgendwelche Hyperaktivitätskrankheiten diagnostiziert bekommen, die Eltern erleichtert aufseufzen lassen, weil eine derartige „Erkrankung“ (ich nenne das ja „Überpsychologisierung“) nicht ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Erziehungsmethoden hinterfragt. Und die Grundschulen werden überschwemmt von strampelnden, jede Grenze überschreitenden, respektlosen und fiesen Kindern, die sich eigentlich nichts sehnlicher wünschen, als Grenzen, die Konsequenzen haben und Erwachsene, die auch wieder welche sind.
Diese Problematik hat der Autor Michael Winterhoff in seinem Buch „Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden“ aufgegriffen und mit journalistischem Feinschliff argumentativ behandelt. Es redet nichts schön und entbindet niemanden von seiner Verantwortung und das finde ich prima. Das Wort zum Sonntag sozusagen, an das ich ein rundes, sattes „Amen“ anschließen möchte. Das demokratische Erziehungsprinzip ist der letzte Scheiß, von dem ich behaupten würde, dass sich das ein Pädagoge ausgedacht hat, weil er die Freiheit des Kindes für „wertvoll“ erachtet hat. Da frag ich mich ernsthaft, ob der Junge dabei bekifft gewesen ist?!
Jedenfalls möchte ich Michael Winterhoff großen Dank aussprechen, der das Thema aufgegriffen und zu einem interessanten und informativen Buch verwurstet hat, das ich jedem ans Herz legen möchte, der sich bei der Frage nach der neuesten Kindergeneration nicht schon mal an den Kopf fassen musste. Für ungefähr 10 Euro bekommt ihr das Buch sogar beim Spiegel-Online! 😉
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Jenny
23. Mai 2010 at 21:16
Ich bin angesichts der Rezension etwas kritisch. Es geht ja nicht um ein „demokratisches Erziehungsprinzip“, welches grundsätzlich Mist ist (oder wird hier die demokratische Haltung grundsätzlich in Frage gestellt? Ich denke doch nicht, ist ja eigentlich was ganz Angenehmes…), welches man sich als Eltern bewusst vornimmt, sondern vielmehr darum, dass wir in einer demokratisierten Gesellschaft leben, leider aber niemand uns gesagt hat, wie man dieses auf Kinder überträgt. Die Zeiten der Schläge und Bestrafung sind vorbei. Mag sein, dass das funktioniert hat und trotzdem ist es einfach nicht das Maß unserer Zeit.
Ich glaube, ein wesentlich besseres Buch zur Erziehung (der Eltern übrigens) und vor allem zum Verständnis des kindlichen Wesens und der entsprechenden Bedürfnisse, ist der ewige Bestseller zum Thema „Kinder fordern uns heraus“ von Rolf Dreikurs. Ich vermute stark, dass auch Herr Winterhoff daraus seine Erklärungsansätze gefunden hat.
Paul
25. Mai 2010 at 11:09
Hallo Julia,
deine Rezension ist also nicht zu bezeichnen. Eigentlich beschreibst du nur deine eigene Sichtweise der Erziehung und die hört sich doch ein wenig nach der Methode von Bischof Mixa an.
Julia
20. Juni 2010 at 12:26
Hallo ihr zwei 🙂
Bischof Mixa? Ha, darüber kann ich nur lachen. Prügelstrafe und co.? Sowas würde mir im Traum nicht einfallen. Ich bin mitnichten ein Freund von Gewalt, wer DAS aus meinem Artikel heraus lesen möchte, sollte sich was schämen.
Ich kritisiere nicht die Demokratie, aber ich kritisiere Eltern, die nicht mehr erziehen. Grenzen setzen bedeutet ja wohl nicht, sein Kind zu hauen, in was für einer Welt lebt ihr eigentlich?! Habt ihr euch mal mit einem Grundschullehrer unterhalten? Nein? Tut das und wir sprechen uns wieder.
Im Kindergarten läuft das ähnlich. Immer wieder erzählen mir Eltern, wie genervt sie sind, dass ihre Kinder jeden Tag nur dasselbe tun, weil sie „frei“ entscheiden dürfen. Also basteln die meisten Kinder niemals, weil es zu uninteressant ist und sie sich selbst entscheiden dürfen. Freiheit in alle Ehren – aber ein Kind braucht einen Vormund, ein Kind ist NICHT bewusst – kennt ihr die verschiedenen Bewusstseinsabstufungen? Den Sozialisationsprozess, den ein Kind durchlaufen MUSS? Natürlich soll ein Kind sich frei entfalten und entwickeln dürfen, das aber ist wieder etwas ganz anderes.
Habt ihr mal hingesehen, wieviele Kinder in Heimen leben? Wieviele in „betreute Wohnanlagen“ umziehen müssen, weil sie zu Tyrannen geworden sind, mit denen ihre Eltern nicht mehr zurecht kommen? Findet ihr das schön? Oder gerecht?
Ich finde das traurig und ich finde, dass das ein Unding gegenüber den Kindern ist. Kinder brauchen ihre Familien, aber was bei diesem ganzen oberpsychologischen Geschwafel vergessen wird, ist die Tatsache, dass Kinder noch KINDER sind und was das bedeutet, DAS haben viele Erwachsene bzw. Eltern scheinbar vergessen.
Ja. Mich regt das auf. Weil ich viele leidende Kinder gesehen habe.
Mir dann mit einem Totschlagargument alá „Bischof Mixa“ zu kommen, dazu fällt mir wahrlich nichts mehr ein.
Mit lieben Grüßen,
Julia