Axolotl Roadkill heißt der Debüt Roman der jungen Künstlerin Helene Hegemann. An dem Namen kommt gerade keiner mehr vorbei, der in den Medien unterwegs ist. An dem Buch, mit dem sie es zur Nominierung des Leipziger Buchpreises geschafft hat, schon, vor allem ihre Kritiker.
[youtube WT_QDCEv4dM]Helene Hegemann nominiert für den Leipziger Buchpreis
Helene Hegemann ist 17 Jahre alt. Das spiele aber keine Rolle, wie sie selbst immer betont. Sie hat ein Buch geschrieben, das, erst vom Feuilleton in den Himmel gelobt, seit ca. einer Woche nur noch in die Hand genommen wird, um zu fleddern. Ob man nicht irgendwo ein Zitat findet, eine Passage, die irgendwie bekannt erscheint.
Hegemann arbeitet in der Hinsicht professionell, dass sie sagt, es handele sich bei ihrem Roman nicht um ihre Geschichte. Die Story sei Fiktion, gefüllt mit Bildern, Erfahrungen, Eindrücken – Inspiration. Wäre es ihre Geschichte, wäre Helene nun ausgeweidet.
Gar nicht professionell, charmant, clever oder kreativ war die Idee Passagen und Formulierungen von Blogger und Autor Airen aus seinem Roman Strobo ohne Zitat-Kennzeichnung zu übernehmen.
Darüber muss man nicht diskutieren. Dass es trotzdem passieren kann, einfach so, dass man sich bei einer Idee fragt, ob sie nun von einem selbst stammt oder vom Konzert gestern Abend, auch nicht. Davon reden wir in diesem Fall aber nicht. Die Autorin machte sich nicht mal die Mühe ganze Formulierungen umzuschreiben.
Doch was die Medien damit machen, ist haarsträubend. Vorwürfe, sie habe das ganze Buch abgekupfert, sei völlig talentlos und der Roman eine weitere Fäkalsprachenansammlung wie Feuchtgebiete, eben das Werk eines 17 jährigen Teenagers, sind noch ganz nett. Häufiger liest man jedoch von ihren Haaren und der Figur, Hegemanns Herkunft, immer wieder verweist man auf ihren bekannten Vater, Volksbühnen Dramaturg Carl Hegemann. Ob der nicht nachgeholfen habe.
Amazon-Buch-Rezensionen die mit „Ich habe das Buch zwar nicht gelesen, aber..“ beginnen, enden mit schlimmsten Diffamierungen. Artikel, Blogeinträge, Bemerkungen mit den Beileidbekundungen, dass ein gänzlich unbekannter Autor xyz viel mehr Talent habe, aber leider nicht wahr genommen werde, weil da „so eine Göre daher käme“, dass man selbst an der Uni ja…, jajajajanänänä, armes Deutschland. Ein Abgesang der Neidkultur dicklicher Herren mit Kaffeeatem im Schnauzbart, wenn wir uns schon an Äußerlichkeiten verlieren.
Airen: Strobo und die Plagiatsvorwürfe gegen Hegemann
Mittlerweile hat der Ullstein Verlag, bei dem Axolotl Roadkill erschienen ist, die Rechtslage mit Autor Airen und seinem Verlag geklärt. Er selbst fände den Roman von Helene nicht schlecht, zeigte sich auch sehr viel weniger empört. Und nochmal will ich hier betonen, dass abschreiben nicht geht, vor allem nicht, um sich daran zu bereichern.
Doch hat sich Helene Hegemann eines viel größeren Verbrechens schuldig gemacht: Sie kam mit Talent auf die Welt. Sie hungerte sich nicht einen BMI oder Lebenslauf an, der nicht zu ihr passte, um bei Deutschland sucht den Superstar oder in irgend einem unbezahlten Praktikum die 5 Minuten Erfolg zu erkriechen, die man Menschen, die Träume, Ehrgeiz und Ambitionen haben, gerade mal zynisch zugesteht.
Wer sich von dem literarischen Wert von Axolotl Roadkill überzeugen will, der sollte es in einem halben Jahr oder so lesen, wenn der Hohn wieder Bohlenopfer XY, Schwarzer, Kamputsch etc. trifft. Dass Helene kein völlig talentloser Teenager ist, der sich nur durch dreisten Diebstahl ins Gespräch bringt, davon kann man sich bei ihrem Film Torpedo überzeugen, den sie mit 16 drehte. Hier ein interessantes Interview, das entstand, als man dem Wunderkind noch wohl gemeint die Backen tätschelte, wo nun abgewatscht wird.
Airen: Strobo
170 Seiten, SuKuLTuR Verlag
Helene Hegemann: Axolotl Roadkill
208 Seiten, Ullstein Verlag
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Gerd
22. Februar 2010 at 02:00
Gerade, dass Sie den Film als Beweis für ihr Talent anführen, ist amüsant:
Die Story ist auch geklaut.
Und das Interview ist Beweis für ihre Unaufrichtigkeit.
Oder vielmehr Beweis dafür, dass sie absolut keine Orientierung hat.
Nina
24. Februar 2010 at 22:27
Hallo Gerd,
haben Sie Quellen für den Diebstahl Vorwurf zur Torpedo-Story? Bisher war mir nur bekannt, dass eine weitere Kurzgeschichte, die Hegemann für das Vice Magazin schrieb, vom Kurzfilm „Try a Little Tenderness“ abgekupfert sein soll.
Zum Interview: Haben Sie sich in letzter Zeit mal mit einem 16jährigen Teenager (so alt war Helene zur Zeit des Interviews) unterhalten? Ich denke doch, dass sich Hegemann da positiv von der Masse abhebt, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.
Betonen möchte ich, dass Kritik am Umgang mit den nicht gekennzeichneten Zitaten und auch die Ahndung des Plagiatversuchs hier weniger zur Debatte stehen. Mir ging es eher darum aufzuzeigen, dass in den Medien der Fokus unverhältnismäßig auf der Person, besser noch dem Äußeren von Helene Hegemann liegt, statt auf dem Buch.
Julia
24. Februar 2010 at 22:47
Ich finde aber schon, dass das zur Debatte steht. Ohne jeden Gedanken an den „wahren“ Autor, Ideen, Zitate oder Passagen zu klauen, ohne den Urheber zu nennen oder darauf aufmerksam zu machen, dass dies nicht ihr eigenes Gedankengut ist, ist nicht nur einfach völlig daneben, sondern zeugt auch von Arroganz und Ignoranz dem „echten“ Autor gegenüber. Der beklaute Blogschreiber tut mir Leid, ich wäre auch stinksauer, wenn ein Teenager von mir abschreibt und damit auch noch so einen Erfolg feiert.
Keine Frage – sie ist was „besonderes“, wohl auch intelligent. Aber in meinen Augen eben auch manipulativ und kalkulierend. Für eine Künstlerin vielleicht in Ordnung, für die Betrogenen und Beklauten nicht. Mal davon abgesehen, dass ich mich da auch fragen muss – wenn eine Stelle geklaut ist, wieviele sind es dann noch? Ist doch eher unwahrscheinlich, dass das ein Einzelfall geblieben ist. Vielleicht sind all ihre Ideen geklaut, vielleicht auch nicht. Ein Zitat zu klauen untergräbt in meinen Augen ihre Glaubwürdigkeit in jeder Hinsicht. Und auch mit sechzehn weiß man sehr genau, dass das einfach „scheiße“ ist. Ich persönlich wäre schon zu stolz gewesen, abzuschreiben und den Krempel als mein eigenes auszugeben… ich wäre lieber stolz auf eigene Gedanken gewesen.
Hmhm. Mir ist die junge Autorin sehr unsympathisch, da kann das Buch noch so gut sein wie es will.
Aber gut geschriebener Blog-Artikel, hab ich gern gelesen.
Gruß,
Julia
Nina
26. Februar 2010 at 17:14
Hallo Julia,
ich sehe die Kritik an das Vorgehen Hegemanns so wie du. Den reißerischen Umgang der Medien rechtfertgt dies jedoch nicht. Das wollte ich in diesem Artikel thematisieren, deswegen das „stand nicht nur Debatte“, eben weil ich vorweg schrieb, es sei absolut daneben.
Ich finde es auch bezeichnend, dass sich anscheinend im Nachhinein kaum einer mit dem Inhalt von Airens Buch beschäftigt, auch wieder nur mit der Person. Deswegen steht sein Roman oben auch vor dem von Hegemann.
LG