Der Brocken – Deutschlands Epizentrum des Mystischen. Kein anderer Ort hat solch eine hohe Sagendichte, kein anderer Ort wurde so häufig im Laufe der Literaturgeschichte in mysteriöse Zusammenhänge gebracht (wobei Goethes Faust wohl am berühmtesten ist). Hier befinden sich außerdem mit die ältesten Siedlungsspuren Mitteleuropas. Ein Ort wie geschaffen für den Schauplatz eines Mystery-Thrillers.
Merkwürdig irgendwie, dass nicht vorher einige Autoren darauf gekommen sind, aber hier sind Schauplätze wie London, Paris oder New York meist reizvoller und gewinnversprechender. Autor Thomas Thiemeyer beweist uns jedoch das Gegenteil. Der so beschauliche Harz ist durchaus ein idealer Ort für Verschwörungstheorien und okkulte Künste. Zufälligerweise wurde auch ganz in der Nähe vom Brocken die berühmte Himmelsscheibe von Nebra gefunden, eines der wichtigsten und auch geheimnisvollsten Fundstücke der modernen Archäologie.
Und genau darum dreht sich Thiemeyers neustes Buch „Nebra„. In seinem vierten Roman gibt es für uns Leser ein Wiedersehen mit der Heldin seines ersten Buchs „Medusa“, nämlich mit der Archäologin Hannah Peters und auch ihr Ex-Freund John Evans ist wieder mit von der Partie.
Im Landesmuseum von Halle an der Saale soll Hannah die berühmte Himmelsscheibe von Nebra untersuchen und am besten auch ihr Geheimnis knacken. Doch neun Monate sind bereits vergangen und sie ist kaum einen Schritt vorwärts gekommen. Das Museum setzt sie unter Erfolgsdruck. Wenn nicht bald Ergebnisse kommen, ist sie den Job wieder los.
Sie will schon aufgeben, als sie im letzten Moment von John eine E-Mail erhält, deren Inhalt sie um einiges weiterbringen könnte. Es geht also zum Brocken. Doch, was Hannah nicht ahnt, ist, dass eine alte, okkulte Sekte seit Jahrhunderten auf die Scheibe wartet. Nun muss sie nicht nur um ihren Job, sondern auch um ihr eigenes Leben bangen. Und die nahende Walpurgisnacht verspricht nichts Gutes…
Ja, wir haben es in „Nebra“ mit vielen Klischees des Genres zu tun. Da ist der Action-Archäologe John Evans, da ist die gefährliche und geheimnisvolle Sekte, da sind zu sammelnde Artefakte und der exzentrische, reiche Sammler. Ja, man hat vieles schon einmal gehört.
Trotzdem schafft es Thiemeyer aus all diesem bekannten Brei eine neue und unterhaltsame Geschichte zu formen, die vor allem spannend und geheimnisvoll ist. Zum Glück hat er sich vom Motiv der tanzenden Hexen auf dem Brocken verabschiedet und mit guter Recherche alte Kulte und Sagen zu etwas Neuem vermischt. Und Nazis kommen dankbarer Weise auch nicht vor! 😉
Gut finde ich auch die Weiterentwicklung der Figur Hannah. Hier hat Thiemeyer eine glaubhafte, weibliche Heldin erschaffen, die sich ausnahmsweise nicht nur als sexy Action-Archäologin, unterschätztes Mauerblümchen oder schmuckes Helden-Beiwerk, das am besten noch gerettet werden muss, entpuppt.
„Nebra“ ist eine durch und durch geschlossene und unterhaltsame Geschichte, die einem den Alltag kurzweilig versüßt. In meinen Augen der beste Thiemeyer bisher.
Werbung