In seinem neuen Buch „Empörung“ stellt der US-amerikanische Autor Philip Roth einmal mehr sein außergewöhnliche Talent unter Beweis. Er schafft es seine bisherigen Hauptthemen wie Alter, Tod, Agonie, Sex, Rebellion, Scheitern, Freiheit oder Außenseitertum auf nur gerade mal 200 Seiten zu solch einer Dichte zu komprimieren, dass der Leser sich tief berührt fühlt und gleichzeitig ein Gefühl der Enge bekommt.
Der Roman ist vielleicht kein neues Meisterwerk, jedoch verdichtet Roth sein Können so, dass man sich fast schon von der Sinnlosigkeit des Lebens eingehüllt und umnebelt fühlt. Seine Hauptmotive werden hier diesmal aus der Sicht der Jugend behandelt.
57 Jahre nach seinem Tod, berichtet Marcus Messner, vielleicht nach Zuckermann ein neues Alter Ego, von einem Ort irgendwo im Jenseits aus, noch einmal von den letzten zwei Jahre seines Lebens. Im Tod scheint es dabei wie im Leben: Messner ist Gefangener seiner selbst. Nur ist das Gefängnis wohl deutlich schlimmer, da er nun als alter, weiser Mann auf seine damaligen Taten und seinen viel zu frühen Tod zurückblickt.
Marcus wuchs als Vorzeigesohn in einer jüdischen Familie in Newark auf. Sein Vater war ein koscherer Metzger und so half Marcus ihm, wo er nur konnte. Das Blut und das Schlachten werden ihn irgendwie sein Leben lang nicht mehr loslassen.
Sein Vater liebte ihn, ohne Frage. Doch je älter Marcus wurde, um so mehr Sorgen machte sich der Vater grundlos. Er erfand Szenarien, welche dem Sohn zustoßen könnten. Und Marcus fühlte sich immer mehr beschränkt. Um der Enge des Elternhauses zu entgehen, flieht er auf ein protestantisches College weit weg.
Doch auch hier fühlt er sich schnell wie im Gefängnis. Nach und nach keimt Empörung über die allzu strengen und konservativen Sitten in dem jungen Mann auf. Marcus weigert sich die christlichen Gottesdienste zu besuchen oder sich in eine der Verbindungen aufnehmen zu lassen. Er wird zum Rebell wider Willen und liefert sich so manches Wortgefecht mit dem strengen Dekan.
Es ist aber auch die Zeit des Koreakriegs und tausende junger Männer wollten den Schrecken des Krieges entgehen. Marcus versucht es durch sehr gute Noten und scheitert kläglich. Als er dann am Ende von der Uni fliegt, ist sein Schicksal unausweichlich…
Neben seinen eigenen Themen konzentriert sich Roth in „Empörung“ auf einen kritischen Blick auf die amerikanische bzw. westliche Gesellschaft. Er seziert und verdeutlicht die zum Teil extrem konservative und zwiegespaltene Wertordnung: das vehemente Festhalten an strengen Regeln oder Religionen, das Verleugnen des eigenen Triebs, den Menschen nicht als das sehen zu wollen, was er wirklich ist, der Leistungsdruck oder die Nicht-Akzeptanz des Scheiterns. Als Gegenstück steht die Empörung von Marcus, der zwischen Fleiß und Freiheitssuche ins Leere läuft.
Gewiss, Philip Roth hat auch bessere Bücher geschrieben und gerade zum Ende hin steht, für meinen Geschmack, die Moral von der Geschicht‘ zu deutlich und zuviel im Mittelpunkt, doch alles in allem beweist er auch hier, dass er einer der größten Schriftsteller unserer Zeit ist…
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