Arnaldur Indridason zählt zu den berühmtesten und wichtigste Krimi-Autoren Islands. In seinem aktuellen Buch „Codex Regius“ versucht er sich in dem Bereich der historischen Thriller, was ihm in weiten Teilen auch ganz gut gelingt.
Mitte der 1950er Jahre möchte der junge Valdemar Nordische Philologie studieren und, da sein Spezialgebiet alte isländische Schriften aus dem Mittelalter sind, hat er auch schon einen ganz bestimmten Professor für sich auserkoren, eine Koryphäe in seinem Fach. Nach anfänglicher Ablehnung entdeckt dieser Professor Valdemars einzigartiges Talent im Enträtseln alter Schriften. In seinem neuen Studenten meint der besessene und dem Alkohol nicht gerade abgeneigte Akademiker einen Seelenverwandten zu erkennen.
So soll Valdemar ihm bei seinem größten Coup helfen. Der Professor, dessen Name übrigens nie genannt wird, hat Kenntnis vom vermeintlichen Aufenthaltsort des Codex Regius, dem bedeutendsten Kulturschatz Islands. Zusammen gehen sie auf eine Reise quer durch Europa, immer auf den Spuren der geheimnisvollen Schrift, deren Weg mit etlichen Leichen gepflastert zu sein scheint.
Der skrupellose Alt-Nazi von Orlepp und sein Sohn wollen ebenfalls an den Codex Regius und bedrohen den Professor und seinen Schüler. In der Not muss der Professor gestehen, dass er 1945 mit den Nazis paktiert hat und sich nun durch das Finden des Kulturschatzes rehabilitieren möchte. Längst gibt es für beide kein zurück mehr…
„Codex Regius“ vom Autor Arnaldur Indridason ist nicht bloße Mystery-Schatzsuche à la Dan Brown und Co., sondern es geht eher um das Erleben von Geschichte und die Entwicklung und Selbstfindung der Hauptcharaktere. Indridason zeigt uns Geschichte als das auf, was sie ist, nämlich die Aneinanderreihung und Verkettungen von menschlichen Erlebnissen. Es geht hier nicht in erster Linie um Spannung oder Gänsehaut, sondern um Realitäten, die sich zu einem faszinierenden Geflecht verknüpfen.
Valdemar und der Professor erleben sich selbst in der Geschichte und können sich dem Sog nicht entziehen. In den 1950ern leiden alle Nationen noch unter den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und Island wurde gerade erst unabhängig (1918) und ist daher noch eine junge Republik (1944). Klar, dass man nun auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist und die lässt sich nunmal am besten durch historische Fundstücke beweisen. Daher ist der Codex Regius so wichtig.
Unlogisch wird das Buch leider an den Nazi-Szenen. Sie kommen daher wie die Überschurken aus irgendwelchen schlechten Action-Filmen und wirken allgemein zu hölzern und damit schon fast lächerlich und langweilig. Hier hätte man sich mehr Vielfalt gewünscht und Indridason verliert sich ein wenig.
Am Ende besinnt er sich doch dann zum Glück auf die klassischen Thriller-Elemente und man fiebert wieder mit.
Wer in „Codex Regius“ einen weiteren Dan Brown vermutet, sollte lieber die Finger vom Buch lassen. Wer sich aber näher mit der Geschichte Island auf unterhaltsame Weise beschäftigen und gute Personenentwicklung sehen möchte, ist hier bestens bedient.
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