Wenn man das Wort Comic hört, denkt man wohl zwangsläufig an Superhelden in Trikots und Strumpfhosen 😀 , die ständig nicht besseres zu tun haben als die Welt vor bösen Fieslingen zu retten. Aber es gibt auch eine andere Sorte von Comics. Diese sind eher Graphic Novels und zeichnen sich durch ihre teils hohe Sensibilität aus.
So auch in dem neuesten Comic des Japaners Jiro Taniguchi mit dem Titel „Die Sicht der Dinge“. Taniguchi zeichnet (und das ist in diesem Fall wortwörtlich zu nehmen) das Porträt einer Vater-Sohn-Beziehung.
Der Photograph und Grafiker Yoichi erhält eines Tages an seinem Arbeitsplatz die Nachricht vom Tod seines Vaters. Nur auf Drängen seiner Frau hin entschließt er sich zur Beerdigung in seinen Heimatort Tattori zurückzukehren. 15 Jahre lang hatte er keinen Kontakt zu seiner Familie, denn er macht immer noch seinen Vater für das Weggehen seiner Mutter in seiner Kindheit verantwortlich.
Erst beim Anblick seines toten Vaters im offenen Sarg beginnt Yoichi nach und nach verdrängte Erinnerungen an Kindheit und Jugend in den 50er und 60er Jahren zuzulassen und sich so mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Er beginnt während der Totenwache eine Art Zwiesprache mit dem Vater zu halten und verändert so seine bisherige Sicht auf ihn.
„Die Sicht der Dinge“ ist eine hoch sensible, ja fast schon lyrische, Geschichte über Vergangenheit, Familie und Identitätssuche. Teilweise ist man zu Tränen gerührt, was durch die wunderbaren Zeichnungen von Jiro Taniguchi noch vertsärkt wird. Feinfühlig beweist er, dass man eine gute Geschichte auch bildlich, ohne viele Worte, intelligent vermitteln kann.
Nie hat man das Gefühl, dass die Emotionen ins Kitschige abdriften oder die Charaktere ihre Tiefe verlieren.
Comics müssen also nicht immer nur lustig sein oder actiongeladene Fantasiewelten enthalten. Taniguchi stellt hier eindrucksvoll unter Beweis, dass man mit diesem Medium genauso gut ernsthafte oder dramatische Inhalte vermitteln kann. Comics werden also zum Teil wirklich zu Unrecht als banal und platt abgestempelt. Sie können ebenso gut wie jedes andere Medium vielfältige Inhalte zeigen, von quietschbunt bis gemäßigt, sensibel und anspruchvoll.
Also ruhig sich mal wieder an Comics herantrauen… 😉