Betrunkene Russen auf Youtube, osteuropäische Alkoholiker mit Liebe zum Wodka, ein lautes „na sdorowje“ beim Anstoßen. Wir denken, die Russen trinken ständig. Und tatsächlich ist der Alkoholmißbrauch bei russischen Männern Todesursache Nr. 1.
Das Klischee des trinkenden Urlaubers aus Russland hat die Deutschen wohl immer mal wieder zum Meckern animiert. Der Alltag allerdings birgt die wirklichen Gefahren, darauf wurden Forscher aus England aufmerksam und entdeckten bei ihrer Reise nach Russland: Die Frauen halten sich zurück, aber die Männer trinken sich gerne in den Tod.
Viele Russen sind Alkoholiker
Die London School of Hygiene and Tropical Health forschte zwischen 2003 und 2005 in Russland über den Alkoholkonsum der Menschen dort und stieß auf erschreckende Wahrheiten. Die Todesrate von Russen im Alter von 25 bis 54 ist weit über dem europäischen Durchschnitt, die Lebenserwartung eines russischen Mannes liegt bei 59 Jahren. Zum Vergleich: Die Frauen im gleichen Land werden durchschnittlich 72 Jahre, es muss also einen gravierenden Unterschied der Lebensweise zwischen Mann und Frau geben.
Der gepanschte Alkohol ist tödlich
Die Studie der Engländer, publiziert in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“, beinhaltete auch Befragungen der Männer zu ihrem Lebensstil. Diese gaben zu Protokoll, Wodka und Bier zu trinken, und auch Parfum, sogar Reinigungsmittel oder Medizin, solange diese eben Alkohol beinhaltete. Dafür gab es einen Grund: Der schlechte Alkohol, gepanscht und gefährlich, hat viel mehr Prozente und ist außerdem viel billiger. Diese schlechten Trinkgewohnheiten wirken sich natürlich auf die Gesundheit aus und je billiger und höher die Prozentzahl des Giftes, desto höher die Todesrate.
Ein trauriges Bild
Die Ergebnisse sorgten für viel Gesprächsstoff. Menschen, die vor allem auf den billigen Fusel setzen, haben ein bis zu neun Mal höheres Todesrisiko als ein normaler Mensch (im Sinne von Nicht-Trinker oder Trinken in Mengen die der Gesundheit angemessen ist). Dieses Todesrisiko hat zusätzlich nichts mit der Bildung zu tun und korreliert auch nicht damit, wie viel konsumiert wurde. Ein übliches Argument ist nämlich, dass arme Menschen auch in schlechteren Lebensumständen leben und somit der Alkohol nur ein Teil des Problems ist. Die britischen Forscher konstatierten, dass fast jeder zweite Todesfall von Männern im „besten Alter“ auf Alkohol zurückzuführen sein könnte.
Die Geschichte ist mit dem Alkohol stark verknüpft
Nun gibt es eine weitere Theorie. Nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten Anfang der 90er Jahre stieg die Todesrate in Russland enorm an. Die Forscher vermuten einen Zusammenhang mit dem Alkohol. Sinn hätte diese Aussage auf jeden Fall. Die große Armut, das Entziehen der bisherigen Lebensgewohnheiten, der große Systemwechsel, da kann die Bewältigung schon mal überfordert sein und mit Alkohol betäubt werden.
Alkohol ist ein großes Problem in Russland. Das sieht man nicht zuletzt an der hohen Diskrepanz zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen. Um herauszufinden, warum Frauen anscheinend resistenter gegen den alkoholischen Terror sind, muss man allerdings keine teuren Studien betreiben. Es gibt ja beliebte Theorien, dass die Geschlechterrollen anerzogen worden sind. Das würde bedeuten, Alkoholismus könnte man auch von vornherein aberziehen, eine schöne Idee, die gar nicht so falsch ist. Denn in Russland gilt der Mann als Ernährer, die Frau als Mutter. Während also nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Männer alles verloren, Job, Ehre, Ansehen, die bekannte Struktur, änderte sich für die Hausfrauen relativ wenig. Das Hausfrauendasein wird eben seit jeher unterschätzt.