Stereotype und Klischees die direkt mit einer Stadt verbunden sind, sind eher selten, doch im Falle von Essex im Norden Englands hat sich leider ein sehr negativ belastetes Bild der dort lebenden Damen gebildet.
[youtube mAKPXQW6Ql8]Amerika hat seine Jersey Shore Crowd und England hat die Essex Girls, angeblich durch die Comedy Serie „Birds of a Feather“ und die darin dargestellten Sharon, Tracey und Dorien entstanden, die charmant aber nicht gerade helle waren und außerdem etwas zu sehr auf ihr Aussehen achten, später kamen B Promis wie Jade Goody, Jodie Marsh und Victoria „Posh Spice“ Beckham dazu, um das Bild zu modernisieren.
Essex Girls: Mysogyn und Zweidimensional
Doch so gutherzig das Los der Essex Girls anfing, mit der Zeit wurde es immer gehässiger. Mittlerweile stellen sie nämlich dumme Blondinen mit Solarium-Orangener Haut und falschen Wimpern dar, die mit 17 zum ersten Mal schwanger werden und in unglücklichen Beziehungen stecken, während sie sich für Reality Shows bewerben. Laut und vulgär, mehr Schein als Sein und ein wilder sexueller Lebensstil, wenn es um mysogynistische Frauenbilder geht, dann sind Blondinenwitze nichts gegen Essex Girls.
Denn während es witzig sein mag, ein paar naiv daher redenden, aufgedonnerten Mädels beim Philosophieren zuzuhören, sind es vor allem Männer, die sich die Witze ausdenken und im Internet verbreiten, dadurch ein zweidimensionales Bild von komplexen, echten Frauen verbreiten.
Sowieso muss man sich fragen, warum junge Mütter, die noch nicht bereit sind, sich in hochgeknöpfte Blusen zu stopfen und abends eben kein Lexikon am Kaminfeuer durchzublättern, sondern stattdessen feiern gehen, so einen schlechten Ruf haben, während die entsprechenden Väter der Kinder oftmals nicht mehr als Fußnoten in ihrem Leben sind, da sie sich der Verantwortung nicht stellen wollten. Wird von ihnen geredet? Nein, denn sie sind nicht so laut und aufgedonnert.
Alleine die Tatsache, dass der männliche Part, der „Essex Man“ eine politisch angereicherte Beschreibung der Thatcher Wähler in den 90ern war, die Essex Girls aber nicht mehr als bunte Popkultur verkörpern, zeigt, wie auch heute noch Unterschiede zwischen Frauen- und Männerrollen gemacht werden.
Es zeichnet sich auch ein sehr konservatives Bild ab, wenn Frauen in kurzen Röcken sofort in die Schublade der Dummchen gesteckt werden, der schlechten Mütter, der promisken Frauen, die doch sicher geradezu danach schreien, Sex mit jedem daher gelaufenen Mann zu haben, weshalb Vergewaltigung bei diesen Mädchen nur in „Sie wollte es doch auch und hat es provoziert“-Lügenmärchen enden kann.
So etwas kann schnell zu zwei Dingen führen: Einerseits wird jeder schönen Frau, die sich sexy kleidet ihre Intelligenz abgesprochen, andererseits wird ihre Sexualität nicht als etwas natürliches angesehen, wie es bei Männern der Fall ist, sondern lediglich als Waffe, als Mittel, um sich ein besseres Leben zu „erschlafen“ oder mit weiblichen Reizen berühmt zu werden.
Essex Girls tragen ihren Ruf mit Stolz
Zu bewundern ist, dass eben diese Essex Girls das Klischee mit einer Art Stolz tragen, indem sie die kitschigen Attribute in Vorteile umgewandelt haben. Aus „laut“ wird die Eigenschaft, seine Meinung offen zu sagen, aus „dumm“ wird „Straßenschlau“, aus „geschmacklos“ wird ein Spiegelbild glamuröser Soap Operas, in denen klobige Goldohrringe und viel Make Up noch nie als geschmacklos galten.
Die Essex Girls, wie auch Germaine Greer im Guardian schrieb, tragen ihr Klischee mit extremer Genugtuung und reißen die von der Gesellschaft belächelte Teenie Mutter an sich, um eine junge, starke Frau aus ihr zu machen, die mit Hilfe ihrer Freunde und Familie das beste aus einer Situation macht und sich und ihre Jugend, sowie Identität nicht aufgibt, nur weil man es von ihr erwartet.
Man mag sich nicht mit ihnen identifizieren können, aber Essex Girls sind mehr als das, mehr als ein Stempel, mehr als ein Kneipenwitz und mehr als ein TV Charakter, der aufgrund von faulen Drehbuchschreibern keine Dreidimensionalität bekommt.